Ein Nachmittag in der Kunsthalle Mannheim

Außenfassade Kunsthalle Mannheim

Abschluss eines entspannten Arbeitsurlaubs

Es ist der letzte Tag meines Landau-Trips. Die frühen Morgenstunden verbringe ich auf der Dachterrasse der Junior-Suite im Maximilians. Angenehm kühl ist es hier um diese Zeit. So ließ es sich auch an den vergangenen Tagen gut aushalten: Den ersten Kaffee nehme ich aus der Nespresso-Maschine im Zimmer und lasse den Blick über die Stadt bis zum Pfälzer Wald und die Burg Trifels schweifen. Ich beantworte E-Mails, schreibe ein Grußwort für einen Kunden, organisiere die nächste Geschäftsreise – super, dass das WLAN auch hier draußen funktioniert.

Das leise Klappern von Kaffeetassen lockt mich nach unten. Zum Frühstück auf der Terrasse treffe ich Petra und Holger, die Inhaber des Hotels und seit Jahren liebe Freunde. Am Buffet gibt es frische Feigen – sehr lecker! Eine Mitarbeiterin hat sie aus dem eigenen Garten mitgebracht, erfahre ich. Wo sonst gibt es sowas?

Zum Abschluss meines Besuchs wollen Petra und ich in die erst vor wenigen Wochen eröffnete neue Kunsthalle nach Mannheim. Es soll einer dieser wundervollen Mädelstage werden, wie wir sie in den 15 Jahren in denen wir uns kennen, immer wieder miteinander verbracht haben. Mit dem Regionalzug wären wir in einer knappen Stunde dort. Doch bei der Hitze entscheiden wir uns lieber für das Cabrio. So können wir uns nicht nur den Fahrtwind durch die Haare wehen lassen, sondern auch noch vertraulich Ideen für ein neues Projekt diskutieren.

Die Architektur: offen und von Licht durchflutet

Wow! Schon das Atrium des Neubaus begeistert uns. In strahlendem Weiß und von Licht durchflutet empfängt uns die klare und offene Architektur des 22 Meter hohen Eingangsbereichs. Es ist kurz vor 12 Uhr – das sagt uns das mahnend tickende Kunstwerk, das wir zuerst wahrnehmen: Wie Planeten kreisen über unseren Köpfen eine Bahnhofsuhr und ein Steinblock, die Installation „Die bewegte Leere des Moments“ von Alicja Kwade. Sie wirkt leicht vor dem monumentalen Bleirelief „Sefiroth“ Anselm Kiefers, das mit seinen sechs Metern Höhe knapp drei Tonnen auf die Waage bringt. Eine digitale Projektionsfläche an einer Wand weckt unseren Spieltrieb. Noch bevor wir die Ausstellungsräume betreten, erkunden wir die ersten Exponate per Fingergesten.

Petra vor der Collection Wall

Kunstwerke spielend entdecken: Petra vor der Collection Wall © Sandra Strüwing

Dann lassen wir uns treiben. Über Treppen, Brücken und Terrassen in die Ausstellungsräume, die über drei Stockwerke an das Atrium andocken. Und die immer wieder Blicke nach draußen, etwa auf den Wasserturm, freigeben.

Blick auf den Wasserturm

Blick auf den Wasserturm © Sandra Strüwing

Terrasse der Freunde

Wie für uns zwei gemacht: die Terrasse der Freunde © Sandra Strüwing

Abwechslungsreiche Sammlung, wirkungsvoll inszeniert

Im Schaudepot erhalten wir eine vage Ahnung von der Fülle der Sammlung. In Petersburger Hängung präsentieren sich eng aneinander gedrängt die Gemälde, Fotografien und Grafiken an den Wänden. In Regalen sind Skulpturen und Werkkunst untergebracht. Meisterwerke aus der Sammlung mit rund 1900 Gemälden und 850 Werken aus den Bereichen Skulpturen und neue Medien sowie 34.000 Arbeiten auf Papier und 800 Objekten der angewandten Kunst kann man sich online erschließen.

Im restlichen Gebäude sind die Kunstwerke sehr großzügig und wirkungsvoll inszeniert. Der Video- und Klanginstallation „The Refusal of Time“ von William Kentridge ist ein großer abgedunkelter Raum gewidmet. Wer die Skulptur begeht und sich auf das 30-minütige Spektakel einlässt, hat das Gefühl sich in einer Fabrikhalle zu befinden. In einem Kubus darf man quasi hautnah durch eine Gruppe von Skulpturen hindurch wandern. In einer Ecke macht ein Junge geräuschvoll auf sich aufmerksam. Er steht abgewandt mit Blick zur Wand und schlägt seinen Kopf so heftig dagegen, dass es beim Zusehen weh tut – verstörend. Ob der Jugendliche unter ADHS leidet und so um Aufmerksamkeit heischt oder ob das eine Variante der #kopftisch-Geste als Fremdschämen für die Dummheit anderer Menschen ist – der tschechische Künstler Krištof Kintera bleibt uns die Antwort schuldig. Petra und ich diskutieren eine Weile, ob er mit dem Kopf an die Wand schlägt oder mit dem Kopf durch die Wand will. Nach „Revolution“, so der Titel, sieht es für uns beide nicht aus.

Von Kintera stammt auch eine weitere Installation („System without Spirit“) in diesem Raum: Ein sich aufbäumender Strang aus Elektrokabel fließt in einen Blumenkohl zusammen . Oder aus ihm heraus? Ein Gehirn, das wie eine Trophäe oben auf dem kahlen Kabelbaum thront. Spontan fallen mir Miriam Meckels Ausführungen über das Brainhacking ein: „Mein Kopf gehört mir“.

System without Spirit

„System without Spirit“ von Kintera erinnert an Brainhacking, © Petra Hirsch

In einem weiteren Raum entführt uns Anselm Kiefer in eine raue Hochgebirgslandschaft – eine Leidenschaft, die uns Freundinnen miteinander verbindet. Und dann gelangen wir in einen Kubus, den wir beide spontan zu unserem Lieblingsraum erklären. Ein Ring aus Kalksandsteinen („Spring Circle“ von Richard Long), ein Iglu („Von Grundmauern“ von Mario Merz) und „50 geschichtete Stahlstäbe“ von Gunter Frentzel dominieren ihn. Sie strahlen gleichzeitig eine unglaubliche Leichtigkeit, Dynamik, Ruhe und Kraft aus.

Raumskulpturen in der Kunsthalle Mannheim

Unser Lieblingsraum. Zu sehen sind ein Ring aus Kalksandsteinen („Spring Circle“ von Richard Long), ein Iglu („Von Grundmauern“ von Mario Merz), „Two open Triangles up Wall II“ von George Rickey links an der Wand und „Messinstrument für Zeitlosigkeit I“ von Klaus Rinke. © Sandra Strüwing

Sonderausstellung: Jeff Wall „Appearance“

Die erste Sonderausstellung widmet sich dem kanadischen Fotokünstler Jeff Wall (Jahrgang 1946). Seine großformatigen Bilder sind durch Leuchtkästen brillant erhellt. Die Szenen wirken irritierend künstlich und sorgfältig komponiert. Nicht umsonst wird Wall in der Fachwelt gerne mit Malern der Moderne verglichen. Wer möchte, kann in seinen Werken vielseitige Anspielungen auf die Kunstgeschichte entdecken.

Provenienzforschung im Jugendstil-Bau

Zum Abschluss zieht es uns noch vom neuen, modernen und schlichten Hector-Bau in den alten Jugendstil-Bau. Dort finden wir uns in einer ganz anderen Welt wieder: dunkel, fast ein wenig beklemmend wirken die opulenten Räume dort auf uns. Das passt. Denn hier wird geschildert, welch großen Anteil jüdische Mannheimer Familien als Mäzene beim Auf- und Ausbau der Kunsthalle hatten. Wie sie im Nationalsozialismus enteignet, vertrieben und ermordet wurden. Und wie viele von ihnen ihr Engagement nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzen. Thema ist auch die Provenienzforschung. Denn seit Ende 2011 erforscht die Kunsthalle systematisch die Herkunft aller Gemälde, Skulpturen und Grafiken in ihrem Bestand. Ziel ist es, möglichst lückenlos die Besitzerwechsel aller vor 1946 entstandenen Kunstwerke zu klären. So soll NS-Raubkunst identifiziert und ihren früheren Besitzern bzw. deren Erben ersetzt werden. Diesen wichtigen Aspekt der Arbeit der Kunsthalle sollte man sich als Besucher nicht entgehen lassen.

Unseren Mädelsnachmittag lassen wir in einem Biergarten am Rheinufer ausklingen. Dann trennen sich unsere Wege wieder: Petra fährt zurück nach Landau in ihr Hotel und mich bringt der Zug heim nach Augsburg. Auf bald mal wieder! Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch in der Pfalz.

Multimedialer Begleiter: die App der Kunsthalle Mannheim

Super ist übrigens die Museums-App. Ich habe sie leider erst zum Schreiben dieses Blogposts heruntergeladen. Wer sich schon vorab oder während des Besuchs über einzelne Werke informieren möchte, hat damit einen wertvollen multimedialen Begleiter zur Hand. Sie ist kostenlos im Apple- und Google-Play-Store erhältlich.

Mehr Informationen zur Kunsthalle Mannheim finden Sie unter: www.kuma.art. Die Hausordnung der Kunsthalle fordert eine Freigabe von Foto-, Film- und Videoaufnahmen durch die Pressestelle, wenn diese in redaktionellem bzw. gewerblichen Kontext verwendet werden. Diese Freigabe haben wir von der Pressestelle eingeholt und erhalten. Vielen Dank dafür!

Sandra und Petra auf der Madenburg

Sandra und Petra auf der Madenburg

Das ist ein Gastbeitrag von Sandra Strüwing, Inhaberin der Kommunikationsagentur candid communications in Augsburg. Sie liebt es, Berufliches und Privates miteinander zu verknüpfen und genießt die Freiheit des flexiblen Arbeitens an inspirierenden Orten.

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